Wer hier am Rad dreht, der ist nicht zu bemitleiden, sondern vielleicht schon auf der Siegerstraße: mit „Corrosion“ liegt das Debüt des Spieleautors Stefan Bauer vor, das nun bei Pegasus erschienen ist. Grund genug für einen ausführlichen Test!
Bis zu vier Spieler können am großen Wettbewerb um Zahnräder, Maschinen und individuelle Siegstrategien teilnehmen. Jeder Spieler erhält hierfür zunächst ein Spieletableau mit Drehrad sowie ein weiteres Tableau, auf dem sich ein Wasserkessel mit Tropfen nebst Plätzen für die sogenannten Chrommaschinen befindet.
Diese Wassertropfen sind dabei ein entscheidender Mechanismus im Spiel, die nach unten oder oben geschoben werden, um Dampf zu erzeugen oder abzugeben – schließlich werden sämtliche Maschinen und Aktionen im Spiel hier noch ganz oldschool mit Wasserdampf betrieben.
Apropos oldschool: von Keilriemen oder anderen Antriebsarten gibt es bei Corrosion nichts zu sehen. Stattdessen dominieren die Zahnräder, die es in drei Größen und Designs gibt. Vom größten, dem blitzenden Chromrad bis zum kleinsten, dem braunen Zahnrad.
Als Startset gibt es ein kleines und mittleres Rad sowie drei Punkte – dann kann es losgehen.
Herzstück des Spiels ist tatsächlich das Tableau mit dem Drehrad, das in vier Segmente eingeteilt ist. Immer wieder spielen wir eine Ingenieurin (richtig gelesen, es gibt nur Ingenieurinnen, von männlichen Planern fehlt jede Spur) aus unserer Hand aus und legen diese entsprechend ihres Zahlenwertes in einen der vier Bereiche des Rads. Jede ausgespielte Ingenieurin bringt uns dabei Vorteile. Mal darf man Wassertropfen wieder erhitzen, diese also auf dem Tableau verschieben, womit sich weitere Aktionen bezahlen lassen. Dann erhalten wir wieder neue Zahnräder oder dürfen uns aus der Auslage in der Tischmitte neue Ingenieurinnen aussuchen oder die entscheidenden Faktoren im Spiel: Maschinen.
Maschinen gibt es in dreifacher Ausfertigung. Schnelle Einmalmaschinen, die nach der Nutzung ihres Effekts sofort verrosten und unbrauchbar werden. Dann gibt es noch Drehmaschinen, die zwar etwas weniger Ressourcen liefern, dafür aber auch immer wieder benutzt werden können. Und als teuerste Kategorie noch Chrommaschinen – und zwar als Basis- und Spezialchrommaschinen. Diese müssen teuer bezahlt werden, bringen aber auch wirkliche Vorteile im Spiel – und noch entscheidender: im aktivierten Zustand auch Siegpunkte.
Somit ist es nun an uns, Ingenieurinnen zu spielen, Zahnräder zu verdienen und neue Maschinen an unser Spieltableau anzulegen. Sollten wir genug Handkarten an das Tableau angelegt haben oder der Zeitpunkt aus anderen Gründen günstig erscheinen, können wir uns entscheiden, statt Handkarten auszuspielen einmal am Rad zu drehen.
Das Drehrad bewegt sich nun also um ein Segment weiter, aktiviert dabei alle Drehmaschinen und aktivierten Chrommaschinen sowie die Einmalmaschinen, die sich in dem Sektor befinden, in den sich der mit X markierte Bereich des Drehrads nun bewegt. Nachdem die aktivierten Einmalmaschinen genutzt wurden, werden diese abgelegt und sämtliche Ingenieurinnen, die sich in diesem Segment lagen, kommen nun wieder auf die Hand. So gilt es abzuwägen, wann man am Rad dreht, wie und wo man seine Handkarten am besten platziert und welche Maschinenkombinationen gerade am erfolgversprechendsten erscheinen - oder kurzum: wie man seine Maschinen und Aktionen eben am besten miteinander verzahnt (das Spiel reizt dieses Wortspiel geradezu heraus!).
Zusätzlich bekommen alle Mitspielenden vor und nach dem Drehen am Rad bzw. dem Spielen von Handkarten die Möglichkeit, durch Wassertropfen Maschinen oder Ingenieurinnenkarten zu verschieben, sodass man hier auch noch tüfteln kann, wann und wo man seine Karten und Maschinen am günstigsten platziert und verschiebt. Auch locken noch Wertungskarten sowie ein interessanter Spielendemechanismus, bei dem man kurz vor Schluss entscheiden muss, auszusteigen oder für weitere Runden noch zu bezahlen, um im Spiel zu bleiben.
Was sich hier hoffentlich durch meine Worte und spätestens durch die Kategorie „Experte“ auf der Spieleschachtel zeigt: Corrosion ist ein wirkliches Spiel für Tüftler und Denker, die Freude daran haben, Kombinationen und Kettenreaktionen aufzubauen, um ihre Siegpunktausbeute zu optimieren.
Den beruflichen Hintergrund des Spieleautors Stefan Bauer als Mathematiker und Risikomodellierer kann „Corrosion“ nicht verhehlen, das während des Spiels auch immer ein etwas technisches Flair umgibt, bei dem die Spielemechanik oftmals hinter der Spielestory (wie immer sehr verlässlich von Dennis Lohausen illustriert) hindurchscheint.
Das ist aber nicht weiter schlimm, denn spätestens nach der Lektüre der detaillierten Spieleanleitung und einer Proberunde stellt sich ein Gefühl von „Noch einmal eine Partie!“ ein. Die Mechanik des Spiels, die variablen Strategien und die Fülle an unterschiedlichen Maschinen und Ingenieurinnen reizen dazu, mögliche noch punkteträchtigere Kombinationen und Maschinenketten auszuprobieren. Lediglich im Spiel zu viert kann das ganze dann die angegebene Spielzeit von 60-120 Minuten deutlich überschreiten, gerade wenn mehrere Grübler oder Grüblerinnen am Tisch sitzen und ihre Spielzüge genauestens überdenken. Angesicht von fast keiner spielerischen Interaktion (ausgenommen vom Kopieren anderer Ingenieurinnenfähigkeiten oder dem Wegschnappen der Auslage) kann es hier schon einmal zu längerer Downtime kommen.
Davon abgesehen wirklich ein im besten Sinne technisches Spiel mit interessanter Mechanik, bei der ein Rädchen in das andere greift. Man darf sich auf weitere Spiele von Stefan Bauer freuen!
Marius hat Corrosion klassifiziert.
(ansehen)