Auf die Spielregeln wurde ja schon in der Spiele-Offensive-Rezension ausgiebig eingegangen, daher beschränke ich mich hier auf meine Erfahrungen mit dem Spiel:
Verräter ist eigentlich ein Brettspiel im 'Kartenspielpelz' - es ist so komplex wie ein 'Großes' aber wunderbar kompakt zum Mitnehmen.
Die Regeln hören sich auf den ersten Blick zwar etwas kompliziert an, aber nach einem ersten Probespiel ist eigentlich alles klar. Danach dauert es vielleicht noch etwas, bis man die taktischen Kniffe des Spiels besser durchschaut, aber dabei hat man schon jede Menge Spaß!
Der Reiz des Spiels liegt eigentlich gerade in der Team-Bildung (und damit der Abhängigkeit von seinen Mitspielern) und den Charakterkarten, die jede Runde für reichlich Spannung sorgen. So kann es durchaus passieren, dass man sich mit vollem Einsatz (wertvolle Versorgungskarten) in einen Konflikt stürzt, nur um zu sehen, dass sich sein Mitspieler 'vornehm' zurückhält, aber natürlich trotzdem die gleichen Siegpunkte erhält (falls der Konflikt denn siegreich ausgeht). Gerade diese Unsicherheit über das Verhalten des Mitspielers kann schon mal eine eigene Dynamik entwickeln (Soll ich jetzt nicht so viele Versorgungskarten setzen, damit mein Gesinnungsgenosse mal ein paar Karten einsetzt? Aber vielleicht verlieren wir ja dann den Konflikt? Aber vielleicht denkt er, dass ich denke, dass .... ;-). Über all diesen Überlegungen schweben natürlich immer noch der drohende Verrat und die Auswirkung der übrigen Charakterkarten. Anfangs weiß man eventuell noch nicht, den Verräter richtig einzusetzen, aber das muß man einfach ausprobieren. Wichtig ist dabei aber, dass man auf seine Versorgung achtet, da man ja von seinen Gutshofkarten nur Nachschub bekommt, wenn sie sich auch einer Landschaft der eigenen Gesinnung befinden. Ein Verrat bietet sich also immer dann an, wenn eine Landschaft mit einem eigenen Gutshof am Konflikt beteiligt ist (denn bei einem Sieg hat man gleichzeitig seine Versorgung für seine neue Gesinnung gesichert). Man kann sich natürlich auch alles offen halten, indem man sowohl auf einer Landschaft der einen als auch der anderen Gesinnung einen Gutshof besitzt - schon kann man gewissenlos hin und her wechseln ;-)
Ein Verrat lohnt sich im Übrigen öfter als man denkt; man kann sich in der Punktewertung so von seinem(n) Mitspieler(n) absetzen. In einem Konflikt hängt die Anzahl der Siegpunkte nämlich zusätzlich davon ab, mit wievielen Spielern gleicher Gesinnung man den Konflikt gewonnen hat. So kann ein einzelner Spieler (mit großer Versorgungskartenschlagkraft und etwas Glück) schon mal gegen drei andere gewinnen und reichlich (!) Siegpunkte ergattern.
Nicht zu unterschätzen für den Sieg sind aber auch die Kontore, die - unabhängig der Landschaft auf der sie sich befinden - dem Spieler in der Endabrechnung bis zu 6 zusätzliche Siegpunkte bringen.
Mit all den taktischen Möglichkeiten bleibt das Spiel spannend bis zum Schluß. Die Teams gleicher Gesinnung (innerhalb derer man sich gegenseitig auch keinen einzigen Punkt gönnt ;-) sorgen für viel Spielerinteraktion und einen gewissen Glücks- und Bluff-Faktor. Die Charakterkarten und der Bau von Kontoren dagegen bieten jedem Spieler sehr viele taktische Möglichkeiten. Sehr schön finde ich auch das variable 'Spielfeld'.
Alles in allem ist Verräter damit eine sehr gelungene Mischung aus Taktik, Interaktion, Bluff und Glück - und das zu einem unglaublich günstigen Preis!
Ob Euch diese Mischung gefällt, müßt Ihr natürlich selbst entscheiden, aber zu diesem Preis kann man ehrlich gesagt nicht viel falsch machen; für mich gehört Verräter zumindest zu meinen absoluten Lieblingsspielen!
P.S.: Falls Euch Verräter gefallen sollte, schaut Euch auch 'Meuterer' und 'Ohne Furcht und Adel' an. 'Meuterer' ist der Nachfolger von Verräter, wobei noch ein Handelselement hinzukommt. In 'Ohne Furcht und Adel' hat Bruno Faidutti das Charakterkarten-Prinzip aus Verräter adaptiert; ein sehr gelungenes Spiel, auch für größere Gruppen!